Beste Tipps für eine Reise nach Kerala
“God´s Own Country” nennen die Einwohner Kerala`s ihr Land, das an der Malabarküste im Südwesten Indiens liegt. Es ist umwerfend schön und landschaftlich wie kulturell vielfältig: Zwischen Palmenwäldern, Backwaters, Nationalparks und Berglandschaften liegen die Quellen des Ayurveda. Kerala ist der einzige Bundesstaat Indiens, in dem es mehr Frauen als Männer gibt. Grund dafür ist das hohe Bildungsniveau und ein Pro-Kopf-Einkommen, das um mehr als ein Drittel höher liegt als im Rest von Indien. Das “Eigene Land Gottes” bietet eine Vielfalt an Ayurveda- und Yoga-Retreats, die so unterschiedlich sein können wie das Land selbst.
Die Sonne öffnet den Himmel, matt ist das Licht und rosafarben. Mit einem Glas Chai in der Hand stehen wir vor unserem Cottage, staunen, schweigen. Es gibt nichts zu tun und nichts mehr zu sagen. Das Fernweh beginnt zu heilen, mit dem Blick in die aufgehende Sonne.
Zwei Tore trennen uns von der Welt außerhalb dieser Magie. Eines führt zur Straße, von der wir gekommen sind, chaotisch und indisch. Das andere zum Meer, in dem Milchtüten und anderes schwimmt. Drinnen ist alles anders als draußen. Drinnen ist unser Cottage mit einer Hängematte davor, das verzauberte Licht des Morgens, ein gereinigter Swimmingpool, das Rauschen des Meeres, ohne Anfang ohne Ende, und das: Männer und Frauen mit weißer Haut, in weinrote Bademänteln gehüllt und mit einen kleinen weißen Turban auf dem Kopf, sitzen im Foyer und spielen mit ihrem Smartphone. Das Foyer, das weit weg von unserem Cottage liegt, ist zu jeder Zeit des Tages gut besucht, denn nur hier funktioniert die W-LAN Verbindung. Vor allem am Abend wird es schwierig, überhaupt noch einen Sitzplatz zu bekommen, selbst wenn unten das Meer rauscht und die Sterne vom Himmel fallen. Die Smartphones füllen die Zwischenräume – nach dem Mittagessen, vor der Massage, nach dem Yoga, vor dem Schlafen. Es gibt immer etwas zu tun und viele Termine täglich, obwohl es eigentlich gar nichts zu tun gibt.
Hoch über dem Meer ist das Foyer des “Somatheeram Ayurvedic Hospital & Yoga Centre”, und scheinbar unzählige Treppen führen von hier hinab zum Restaurant, dem Ayurvedic Center und den Cottages. Ein Auf- und Abstieg mehrmals täglich hat zumindest in den ersten Tagen den gleichen Effekt wie eine kleine Bergwanderung. Auf zwei Yogaplattformen werden zu verschiedenen Zeiten des Tages Yogakurse angeboten. Im Klang des Windes, der wie ein OM durch die Kokospalmen rauscht, unterrichten die indischen männlichen Yogalehrer des Hauses klassischen Hatha-Yoga, meist in der Tradition von Sivananda. Der Kopfstand wird auch hier gerne geübt, und Alternativpositionen dazu kaum erläutert, obwohl die meisten Gäste Yogaanfänger sind. “Als ich das erste Mal wieder bei meiner Yogalehrerin in Hamburg war, habe ich festgestellt, dass ihre Art, Yoga zu unterrichten mir doch mehr liegt.”, sagt Katrin Schick nach ihrer Kur. “Aber ich fand es trotzdem interessant, die unterschiedlichen indischen Yogalehrer einmal zu erleben.”. Viele Yogagruppen aus den USA und Europa besuchen das Somatheeram, um dort ihre eigenen Retreats und Yogalehrerausbildungen zu machen, sie interessieren sich vor allem für die Magie und Ruhe des Ortes in Verbindung mit Yoga, weniger für die ayurvedischen Anwendungen. Eine sehr intensive Yogapraxis würde auch nicht in Einklang mit einer authentischen Ayurveda-Kur stehen.
Das “Somatheeram Ayurvedic Hospital & Yoga Centre” zählt zu den größten und luxuriösesten Ayurveda Zentren in Kerala. Es wurde vom “Government of Kerala” gleich zehn Mal als “Bestes Ayurvedic Center” ausgezeichnet. Die meisten Gäste, die größtenteils aus Deutschland anreisen, kommen nicht nur einmal, sondern jedes Jahr wieder. “Neunzig Prozent unserer Gäste kommen zu uns, um ihr Gewicht zu reduzieren”, sagt der Chefarzt, der im Juni 2015 von einer weiblichen Ärztin abgelöst wurde. Das Frühstücks-, Mittags- und Abend-Buffet, das eine großartige Auswahl an südindischen Spezialitäten, ayurvedischen Speisen, vegetarischen und nicht-vegetarischen Gerichten, Salaten und Süßspeisen enthält, lädt nicht unbedingt zum Abnehmen ein. Auf unsere Frage, ob wir während unserer Panchakarma-Kur eine bestimmte Diät einhalten sollten, antwortet unsere Ärztin, dass wir auf nichts verzichten müssen, was das Buffet bietet. Sie händigt uns eine allgemeine Ernährungsempfehlung für die ayurvedischen Ernährungstypen aus. Dr. Polly Mathew Arampankudy, Vorsitzende und managende Direktorin des Hauses, hat mehrere Jahrzehnte in Deutschland verbracht, und ist mit Ayurveda groß geworden. Wie in den meisten keralischen Familien wurde bei Ihr Zuhause das traditionelle Ayurveda in den Alltag integriert: Die Elemente der Natur, die Kräuter, die vor der Haustüre wachsen, und das Wissen der Großmütter. “Heute lebe ich ohne ayurvedische Medizin.”, sagt Dr. Polly Mathew Arampankudy. “Ich mag auch keine Massagen, ich bewege mich lieber. Meine einzige Medizin ist das Beten.”.
Ayurveda im traditionellen Sinne wird auch die “Mutter der Medizin” genannt. “Das Empfangen eines Treatments ist ähnlich wie bemuttert zu werden”, sagt Niika Quistgard, Inhaberin der Plattform “ayurmama”, die Ayurveda für westliche Frauen lebendig macht. Verschiedene Töpfe von Suppen und Ölen, verschiedene Hand- und Fußmassagen bringen die Heilung, nicht eine schnelle Injektion oder eine Handvoll Tabletten. Wie eine Mutter, die kontinuierlich und mit viel Geduld ihr Kind pflegt. “Das Heilsamste waren für mich die täglichen Massagen”, sagt Katrin Schick. “Und die Gewissheit, dass mit meinem nackten und in diesem Moment schutzlosen Körper sehr liebevoll, achtsam und fürsorglich umgegangen wurde.”. In Kerala gibt es viele unterschiedliche Ayurveda Zentren, einige sind gut und authentisch, die meisten bedienen vor allem die Gäste, die ein bisschen Ayurveda mit einer exotischen Reise verbinden wollen. Für eine authentische “Spa-Erfahrung” kann der Gast aus einem “Ayurveda-Menü” Behandlungen wählen, die ihm gefallen, während er lebt und weiter isst, wie es ihm gefällt. Mit traditionellem Ayurveda hat das nicht viel zu tun, doch es lässt sich heute damit in Kerala sehr viel Geld verdienen.
Ein authentisches Ayurveda-Retreat zeichnet sich dadurch aus, dass es stationär ausgerichtet ist, ein qualifiziertes Team aus Ärzten und Therapeuten bietet, und mindestens zwei oder drei Wochen lang dauert. Frauen werden ausschließlich von Therapeutinnen behandelt und Männer von Therapeuten. Für jeden Patienten wird ein individueller Therapie- und Ernährungsplan vom Arzt erstellt, dem der Patient im vollen Vertrauen folgen sollte. “Die Resultate eines Treatments sind abhängig von dem Zusammenspiel von Ärzten, Therapeuten, Medizin und Patient.”, sagt Niika Quistgard. “Jedes Element muss die richtigen Qualitäten, Fähigkeiten, Eigenschaften und das richtige Verhalten aufweisen.”. Für ein optimales Ergebnis einer Ayurveda-Kur spielt eine große Rolle, dass der Patient entspannt ist, sich nicht zu intensiv bewegt, dass er mehr schweigt als redet, einen frühen Schlaf ohne Aircondition geniesst, und auf Nebenaktivitäten wie Baden im Swimmingpool oder Ausflüge ins Umland verzichtet. Die beste Zeit für eine Ayurveda-Kur ist die feuchte Monsumzeit, da die hohe Feuchtigkeit die Entgiftung unterstützt.
Die feminine Kraft wird in Kerala, obwohl die weibliche Bevölkerung die Mehrheit bildet, nicht durch die Präsenz von Frauen auf der Straße sichtbar, aber in der Natur: Die Erde, der Himmel, der Klang des Meeres, der Duft der Gewürzplantagen, die Sonne, der Regen – Die Elemente der Natur, die auch die Basis des Ayurveda bilden, sind in Kerala kraftvoll, magisch und heilsam. “Wir sind lange mit unserem Jeep durch das Land gefahren, um die passenden Orte für unser Retreat zu finden”, sagt Frauke Dorschky. Die deutsche Yogalehrerin bietet gemeinsam mit ihrem indischen Partner Francis Johnson “Nachhaltige Yogarundreisen” durch Kerala an. Dazu zählt ein “Gewürzplantagen-Retreat”: Eine Rundreise mit dem Jeep, die von Fort Cochin bis in die Berge von Wayanad in ein Biosphären Reservat führt. Auf dem “Roadtrip durch Kerala” wird der Gewürzanbau, die Kultur und die Natur des Landes erforscht, und in den Bergen täglich Yoga praktiziert, zwischen Kaffeesträuchern und Betelnusspalmen, auf einer Yogaplattform in den Gewürzplantagen. Die besten Yogaretreats, die in Kerala zu finden sind, fernab von klassischem Sivananda Yoga, sind wohl die, die von westlichen Yogalehrern (mit) organisiert werden.
Die Amerikanerin Niika Quistgard hat im Jahr 2007, inspiriert von ihrer Leidenschaft für Ayurveda, das “Rasa Ayurveda Traditional Healing Centre for Women” in Trivandrum gegründet. Neun Jahre lang führte sie es gemeinsam mit ihrem ihrem adoptierten Bruder Sanju Kumar S, einem Malayali, und setzt heute ihre Vision mit “ayurmama” fort: “If Mama ain´t happy, ain´t nobody happy!”. Als westliche Frau in Kerala brauchte sie einen indischen Mann an ihrer Seite, um das Zentrum zu gründen und zu leiten, denn die Rollenverteilung ist hier immer noch sehr traditionell. “Männer sind diejenigen, die in einer geschäftlichen Konversation das Wort führen”, sagt Niika Quistgard. “Die Frau sitzt meist daneben, als wäre sie gar nicht vorhanden.”. Wenn eine Frau in Kerala etwas erreichen oder ein Retreat außerhalb sicherer Räumlichkeiten organisieren will, speziell in den traditionelleren Teilen des Landes, zu denen auch die Hauptstadt Trivandrum zählt, muss sie sich hingeben: Der Mann repräsentiert die Frau und tritt als ihr Beschützer auf. In der Generation 20-jährigen Malayali ist zum Glück ein langsamer Wandel zu spüren.
Der Mond öffnet das Meer, wirft sein glänzendes Licht auf die Wellen. Mit einem Glas ayurvedischem Öl in der Hand sitzen wir auf den Stufen vor unserem Cottage. Ein Stern fällt vom Himmel und wir wünschen uns, bald wieder zurück zu kehren zum Arabischen Meer, das uns verzaubert hat.
Das Fernweh kommt immer wieder.
Tipps und Adressen:
Beste Reisezeit: Zwischen November und März. Die Temperaturen sind tropisch, außer in den Bergen.
Beste Reiszeit für eine Ayurveda-Kur: In der Zeit des Monsuns zwischen Juni und September.
Ayurveda:
http://www.somatheeram.org/de/